Page 136 - 25 Jahre KW Jubiläumsbuch
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Erinnerungen
Die wunderschöne Schreckenszeit des Professors Hinzelmann
Eine liebevolle Zumutung für Thomas Garmatsch
Mit der Kaufbeurer Kulturwerkstatt verbindet sich für mich eine sonder-
bare Vorstellung. Etwa so. Man geht hin, weiß so ungefähr, wer man ist;
erfährt irgendwann, was man soll; begreift irgendwann, was man bisher
versäumt hat; erkennt schließlich, wovon man träumt; erinnert sich an
das, was man will; lebt in einer Welt, in der man alles darf und endet in
einem verträumten Bewusstsein seiner selbst.
Nun wäre mir das alles beinahe verborgen geblieben, wenn ich nicht das
Opfer einer schamlosen Erpressung geworden wäre. Ein Glücksfall. Denn die Theaterweisheit
eines Thomas Garmatsch scheint nur einen einzigen Grundsatz zu kennen: Jeder Mensch kann
Theater spielen, wenn er das öffentlich zeigt, was er im Verborgenen ohnehin ist, aber nicht
dulden möchte – ein Komödiant.
Ich hatte also über eine Zumutung nachzudenken. Und suchte in mir den Komödianten. Ohne
jede Theatererfahrung. Und fand ihn nicht.
Mir wurde eine„Rolle“ verordnet. Ich musste ein Professor Hinzelmann sein, der in der Operette
„Zum Weißen Rössl“ einen liebenswert-naiven, hoffnungslos verschrobenen und armseligen
Idealisten zu spielen hatte. Außerdem, und das war für mich eine eher peinliche Begleiterschei-
nung, wurde mir auferlegt, zu singen.
Die Proben. Ich suchte Greifarme oder energische Anweisungen des Regisseurs. Nichts! Kein
Wort, keine Geste, kein kleines Lob, das für mich zum theatralischen Entzücken geführt hätte.
Kein Tadel, der mich wenigstens von meiner schauspielerischen Selbstverlorenheit erlöst hätte.
Man fühlt sich ja auf der Bühne ohne Anteilnahme als Gespenst
Nichts dergleichen! So, dachte ich, geht man mit Versagern um. Man muss mit ihnen dramatur-
gisch leben, weil sie eine„Rolle“ haben und lässt sie einsam herumzappeln.
Gewiss, eine Nebenrolle. Aber auch daran sollte doch die Aufmerksamkeit eines Regisseurs
spürbar werden! Schließlich heißt sein Unternehmen„Kulturwerkstatt“. Dort sollen doch Talente
gefördert, Ehrgeizige besänftigt, Schüchterne getröstet und Unbegabte solange bearbeitet