Page 138 - 25 Jahre KW Jubiläumsbuch
P. 138

ziplin. Mit dem Erlebnis dieser Theater-Gemeinschaft des Jahres 2004 verbindet sich für mich

zweierlei: die private, selbstverschuldete Unruhe mit dem Regisseur und das Bühnenerlebnis

mit Schauspiel-Liebhabern. Da war von Selbstgefälligkeit, Missgunst oder Eifersüchtelei nichts

zu spüren. Alle Schwierigkeiten lösten sich in der Spielfreude und im Seelenfrieden der Beteilig-

ten.

Mich begleiteten also gänzlich unerwartete Einsichten. Ich begreife die„Kulturwerkstatt“ nicht

nur als kulturelle Einrichtung, sondern als Erlebnisraum. In einer Verschmelzung von Selbst-

und Gemeinschaftserlebnis. Sie erschließt damit eine Erfahrungswelt, die jedem, der sie erlebte,

unvergessen bleibt.

Aber in ihrer Wirksamkeit nach außen steht sie in der ehrwürdigen Tradition der Kaufbeurer

Theatergeschichte. Allerdings in einer Ausprägung, die vor 25 Jahren noch unbekannt war.

Merkwürdig. Mein alterndes Gehirn verliert den Faden. Sentimentale Erschlaffung. Oder

irgendein Ereignis poetischer Verfremdung. Mit einem Male frage ich mich, was ist das ei-

gentlich – Bühne! Eigentlich nur die unnachsichtige, fordernde und gleichzeitig gewährende

Aufmerksamkeit gegen uns selbst, gleichgültig, wie wir auf der Bühne heißen. Das, was uns

dort abverlangt und vom Publikum geprüft wird, ist keine Illusion. Sondern eine eigene, ebenso

anspruchsvolle wie neue Wertschätzung unserer selbst. Sie endet schließlich in einer ständig

belebten Wertschöpfung unserer selbst. Nicht im Ghetto einer„Rolle“. Sondern im Gemein-

schaftserlebnis mit den Mitspielern. Und – dieses unscheinbare Lob gestatte ich mir – in den

Fähigkeiten eines Regisseurs, diesen Mehrwert vor allem im Gewähren und nicht im Befehlen

zu finden.

So einprägsam habe ich die Kaufbeurer„Kulturwerkstatt“ empfunden, und so bleibt sie mir im

Selbsterlebnis erhalten.

Ich verabschiede mich mit einem herzlichen, aber auch traurigen Gruß. Weil mir das Geld fehlte,

eine Fahrkarte zum Wolfgangsee zu lösen. Aber die Kaufbeurer Kulturwerkstatt wird gewiss

erfreut sein, zu hören, dass Klärchen und Sigismund seit 82 Jahren glücklich verheiratet sind.

Zum Schluss ein früher Hahnengruß, um den Berliner                    KW = kein
Unternehmer Giesecke zu ärgern.                             Richtig und Falsch
In steter Verbundenheit!                            Scheiß drauf, jemanden gefal-
Euer Professor Hinzelmann, Privatgelehrter                  len zu wollen!

                                                               Thomas
   133   134   135   136   137   138   139   140   141   142   143